Morgen frueh (Freitag) werden mein 12-jaehriger Sohn Lukas und ich hoch nach Twin Bears fahren um den Checkpoint fuer das Junior Yukon Quest zu eroeffnen. Er ist gluecklich, da es mehrere Holzoefen bedarf um die beiden grossen Huetten dort oben fuer Junior Musher zu beheizen. Immerhin kann er sich dann mit ‚Feuer-machen‘ beschaeftigen.
Wir haben selbst einen grossen Holzofen im Haus und ich bin fest davon ueberzeugt, dass unser Haus noch nicht abgebrannt ist weil ich ihm gelehrt habe mit Feuer umzugehen anstatt ihm diese eigendlich fast magische Kunst in juengeren Jahren zu verbieten.
Er ist recht selbststaendig und wir werden in die grossen kalten Huetten eher als Partner anstatt als Sohn und Vater gehen um sie aufzuheizen. Er hat heute schon Birkenrinde gesammelt um die ersten Feuer heiss und schnell zu zuenden.
Natuerlich machen mir auch solche Kleinigkeiten Freude. Es ist erstaunlich wie schnell Kinder selbstbewusst ueber sich selbst hinauswachsen und Verantwortunegn uebernehmen, wenn man es versteht sein eigenes ueber 50 Jahre erlerntes Wissen nicht bei jeder Gelegenheit erklaeren zu wollen.
Ich nehme mir fest vor, diesen Grundsatz mit meinen Puppies entlang des Trails zu halten und weiss, dass dies fuer mich schwierig werden wird. Wer wird wen lehren ?
Ich bin mir vollkommen bewusst, dass mir ein zweischneidiges Schwert uebergeben wurde.
Heute habe ich ueber 20 Telephonanrufe beantwortet, und schlussendlich Mike Bowman angerufen. Mike hat den Mile 101 Dogdrop fuer die letzten 5 Jahre immer als erster eroeffnet. Er war es, der mit seinem Schaeferhund ‚Precious‘ Mile 101 anheizte.
Wie ich heute erfuhr, hatte er vor einigen Tagen zwei kleine Stromgeneratoren in seine Huette gebracht um sie aufzuwaermen und zu ueberarbeiten bevor er sie nach Mile 101 bringen wuerde. Draussen herrschten Temperaturen von -30C, aber dies hielt ihn nicht davon ab spaeter seinen Motorschlitten anzuwerfen und diesen entlang der vorhandenen Motorschlitten/Mushing Trails 12 km fuer einen kurzen Besuch bis zu einem Bekannten zu fahren. Er lebt in einer sehr entlegenen Ecke unserer Gegend.
Nach 6 km versagte sein Motorschlitten. (einer der Gruende, wieso Hunde so viel besser sind….)
Nach misslungenen Versuchen den Motorschlitten wieder in Gang zu bringen (vermutlich Eis im Vergaser)machte er sich entlang des Trails zu Fuss auf, um zurueck nach hause zu gehen.
Mike lebt ohne Elektrizitaet. Als er schlussendlich 2 Stunden spaeter seine Huette erreichte, war er voellig durchgefrohren. -30 C sind eine ernsthafte Belaestigung unter unguenstigen Bedingungen.
Er wusste, das sein Holzofen nur noch Glut enthalten wuerde und sammelte auf dem Weg ins Haus (wie ich es auch tuen wuerde) einen Arm voll Holz von seinem gestapeltem Vorrat. Dann oeffnete er seine wie so oft in Alaska unverriegelte Tuer und war auf dem Weg zu seinem Holzofen, als ihm ploezlich die Beine unter dem Bauch weggerissen wurden.
Was ihn zum Fall brachte war einer der zwei kleinen benzingetriebenen Stromgeneratoren, die er fuer Mile 101 aus dem Schnee gezogen hatte und in seiner kleinen Huette aufwaermen wollte. Er strauchelte im Dunkeln, fiel … und traf mit dem Mund auf die Kante seines Esstisches. Als er aufstand und versuchte eine seiner im Haus montierten Gaslaternen (Propan) zu finden, spuckte er Zaehne aus. „Ich konnte kaum atmen. Ich hatte zu viel Blut im Mund.“
Er hat mir dies erst heute erzaehlt.
„Peter, das tut so weh,“ murmelte er durch’s Telephon. Ich fluchte. Beim Zuhoehren taten mir meine eigenen Zaehne weh… Was immer die Goetter sich ausdenken, …. er hatte dies nicht verdient. Ich habe natuerlich hochgragige Schmerzmittel vorraetig, da ich sie manchmal fuer lange Touren ausgebe oder mir Teams soetwas nach ihren Kanutouren einfach hinterlassen (ich rueste im Sommer oft fuer lange ungefuehrte Kanutouren aus). „Hast du Schmerzmittel ?, fragte ich ihn. „Nein, nicht wirklich.“ – „Komm vorbei, ich gebe dir was.“
Ich war grade dabei mit der Motorsaege Holz fuer die naechsten 20 Tage zu schneiden als er ankam. Ich werde lange weg sein. Es gibt viel zu erledigen, bevor man seine Familie verlaesst. Ich hatte seinen Truck natuerlich ueber den Laem nicht gehoehrt, aber stellte die Kettensaege ab als er vor mir stand.
Mike wollte eigendlich eh vorbeikommen bevor der Unfall passierte. Der ehrbare 50jaehrige Mann sah mit seiner blutig geschqollenen Oberlippe eher schaurig aus. Ich guckte mir die Zaehne an und fluchte traurig.
„Hast du Versicherung ? Falls die Zaehne abgebrochen sind werden die Wurzeln faulen und damit dein Kiefer.“
„Ich geh erst nach 101 und dann zum Arzt“, meinte er ganz cool und verweigerte damit die Antwort nach der ich fragte. Er ist ein Vietnam- Kriegsveterane. Die alten Krieger werden in der USA schlecht behandelt.
Ich stelle keine weiteren Fragen und wir gehen ins Haus.
Wir koennen es uns wirklich nicht leisten, dass Mike Mile 101 verpasst. Ich guckte mir die Zaehne genauer an und gebe ihm fuenf meiner besten Schmerztabletten. Bist du wirklich ok ?“, frage ich ihn ? Er grinst.
„Falls die Wurzeln nicht mit rausgekommen sind, wird sich dein Oberkiefer entzuenden.“ Ich erwaehne dies bewusst zum zweiten Mal. „Oh nein, ich denke, dass die Wurzeln raus sind. Sie sind erstaunlich lang.“ Er sagt dies ohne mit der Wimper zu zucken und zeigt die Laenge der Wurzeln seiner Schneidezaehne zwischen Daumen und Zeigefinger. „Ab Montag bin ich weg, aber falls die Schmerzen wieder staerker werden musst du zum Doktor gehen,“ fuege ich hinzu. „Ja, ja….“, meint er. Seine Ruhe ist fast beunruhigend.
Wir gehen ueber Listen und Daten fuer Mile 101 und schleppen Ausruestung zusammen, die Mike nach Mile 101 fahren soll.
Langsam wird es beaenstigend, dass Eric als Trailbreaker und ich als … was auch immer….. (Videographer mit Puppy-Crew) entlang des Trails arbeiten werden. Falls Mike ausfaellt, ist bei uns (Mile 101) bis kurz vor der Ankunft der Musher keiner zuhause. Das faengt ja gut an.
„Du musst einen Arzt anrufen“, meine ich zu Mike beim Abschied. Er laechelt: „Ich habe schlimmeres durchgemacht.“ – „Ja, aber da waren wir beide juenger“, werfe ich ihm vor. Wir werden uns in Mile 101 wiedersehen.Verdammt nochmal, der Bursche ist weit haerter als ich dachte. Hoffentlich wird ihm das nicht schaden.
Mike koennte Hilfe gebrauchen.
Ich gebe ihm freie Wahl fuer Mitarbeiter; etwas, das normaler Weise von der gesamten Crew entschieden wird. Zusaetzlich schreibe ich einen offiziellen Brief ans YQ in dem ich Mike Bowman in meiner Abwesenheit zum offiziellen ‚Manager Dogdrop Mile 101‘ erklaere. „Mach gute Entscheidungen, aber mache sie. Bleib gesund, Alter,“ sage ich ihm. Ich mache mir Sorgen um ihn.
Dieses Jahr sollte ich nicht auf dem Trail sein…
Bevor ich Mike Bowman am Nachmittag traf war ich in ‚Head Quarters‘. Dies ist das offizielle Buero des Yukon Quest in Fairbanks. Die Direktorin des Rennens ruft mich in ihr Buero. Anscheinend wurde sie vom Professor der Universitaet angerufen. Dieser meinte: „Meine drei Studenten sind etwas nervoes und haben Angst, dass sie irgendwo am Trail ploetzlich alleine auf der Strasse stehen.“ Ich grinse und rolle meine Augen zur Decke. Welpen!
Tania (YQ Direktor) und ich verstehen uns. Sie meint:
„Ich habe ihm gesagt, dass die Kids mit dir sicher sind aber wir auch nicht als Babysitter geheuert worden sind.“ Ich zucke mit den Schultern:“Naja, vielleicht habe ich ihnen manche Sachen ein bischen problematischer dargestellt als sie es sein werden, aber soll ich ihnen Sonne und Strand versprechen ?“
Nein, nein… lass dich darauf bloss nicht ein !“ Sie gibt mir Recht.
Ich winke eher laessig ab: „Seit Miss Tessa (siehe oben) aus der Gruppe raus ist, mache ich mir keine grossen Sorgen. Lass mich die erst mal da raus bringen, und sie werden sich schnell eingewoehnen.“
Ich gucke ihr in die Augen: „Weisst du, was nachher das tatsaechliche Problem sein wird ?“
Sie guckt mich an und zuckt mit den Schultern:“Was ?“
„Ich wette, dass ich die junge Meute in Dawson City nicht mehr zusammen halten kann.“ Sie lacht.
„Ja, jetzt lachst du. Erst haben sie Angst und dann rennen sie in alle Himmelrichtungen um rumzuschnuppern. Willst du wetten ?“ „Du machst das schon.“
Wahrscheinlich werde ich ‚das machen’…., und eigendlich freue ich mich drauf.
Ich verabschiede mich schlussendlich auch von der Crew der Kurzwellenfunker im Office, die grade sechs Computer an einem langem Tisch aufbauen und spaeter fuer die schnellstmoegliche Hochladung von Rennzeiten auf’s Internet verantwortlich sind. Natuerlich werden sie nur Daten hochladen koennen, die tatsaechlich von Checkpoints ueber Kurzwellenfunk, Fax oder Telephon weitergegeben werden.
Ich wundere mich, wieso sie jetzt schon ihre Computer aufbauen, aber dann faellt mir auf, dass ich morgen den Twin Bears Checkpoint des Junior Yukon Quest aufwaermen muss.
Das Junior Yukon Quest ist ein wirklich gutes Rennen.
„Wer bist du ?“, fraegt mich ploetzlich eine Dame mit einer Liste in der Hand. Ich drehe mich um:
„YQ…Mile 101“. Kurze Fragen beduerfen kurze Antworten.
Sie blaettert kurz in ihren Seiten und meint gewichtig: „Euer Funker ist…. Kevin Abnett.“ „…. seit 15 Jahren“, fuege ich sanft laechelnd hinzu.
Es ist Zeit zu gehen. Der Trail wartet…
Peter Kamper